Warum es in der Pandemie so anstrengend war.
Ein wesentliches Bedürfnis von Menschen ist das nach (Selbst-)Wirksamkeit. Für Babies ist sie lebenswichtig: Sie vertrauen darauf, dass ihre Signale zu Wirkungen in der Welt führen und ihre Bedürfnisse befriedigt werden. Später im Leben haben wir immer wieder Erfahrungen, die uns prägen und die unsere Beziehung zu anderen Menschen und zur Welt strukturieren; der Aspekt, den wir davon gerade in Augenschein nehmen ist, wie es die Erfahrung von Wirksamkeit prägt: wann bekomme ich für das, was ich tue, welche Form von Feedback. Und gleichzeitig: das, was wir tun oder wie wir uns erleben, formt uns auch nach innen: ein Aspekt von Selbstwirksamkeit betrifft auch den Umgang mit uns selbst. Können wir uns auf uns selbst hin als wirksam erleben.
Vieles von dem, wie wir mit anderen umgehen passiert vorbewusst. Wir haben im Laufe des Lebens ein sehr feines Sensorium ausgeprägt, andere Menschen zu beobachten und ihre Reaktionen einzuordnen. Es gibt also eine Ebene der Interaktion, die wir nur ganz selten im Blick haben — und doch gibt sie uns in der Regel ein Gefühl von Wirksamkeit, weil wir schon registrieren, wie unser Gegenüber eben auf uns reagiert. Unterschiedliche Menschen neben da unterschiedliche Dinge war — wir kennen alle jemanden, der/die sich vor allem in den Situationen spürt, wo er oder sie provoziert und das Gegenüber zur Weißglut bringen möchte–aber prinzipiell gibt es diese Grundstruktur.
Nun wurde durch die Maßnahmen der Pandemie uns ganz viel der Interaktionsformen und Interaktionen genommen und wir mussten auf neue, noch nicht eingeübte Modi ausweichen. Zum einen ist was Neues lernen und sich auf eine so große Veränderung einzulassen immer anstrengend; zumal noch zu Zeiten, wo sowieso das Leben prinzipiell durch Sorge und Unklarheiten anstrengender geworden ist. Zum anderen ist aber das, was dann im Normalfall auch Kraft zurückgegeben hat, eben genau das Erleben von Wirksamkeit im zwischenmenschlichen Kontakt: weggefallen. Das, wo wir uns mit dem Einsatz von wenig Energie als wirksam wahrnehmen konnten, war plötzlich weg.
Wir können also festhalten: wir brauchen mehr Energie und bekommen trotzdem nicht das, was sich nach “normal” anfühlt. Und Energie, keine Energie mehr haben — ist da nicht was?
Noch verschärft wird die Situation, wenn man auch Selbstwirksamkeit auf sich selbst weniger wahrnehmen konnte. Es ist ja keine Überraschung, dass in der Pandemie die eigenen Ängste größer wurden, die Herausforderungen in sich selbst anstrengender wurden; und auch da: gewohnte Bewältigungsmechanismen sind vielleicht weggefallen. Also: weniger Selbstwirksamkeit. Dass dann ein Bedürfnis nach mehr Selbstwirksamkeit im außen (also außerhalb der eigenen Psyche) entsteht halte ich für sehr verständlich. Und so war aber ein Patt-Situation da: die Wirksamkeit nach außen wurde mehr verlangt, war aber auch weniger erreichbar.
Und das an dieser Stelle das Bedürfnis nach „alles wie früher“ entsteht, und dass Menschen, die vor allem mit anderen Menschen zu arbeiten gewohnt sind, in eine Krise stürzen, auch das finde ich vollständig nachvollziehbar.
Gibt’s auch andere Lösungen? Ja, das glaube ich. Die sind aber nicht einfach und bedürfen auch der Offenheit für Arbeit an sich selbst. Ein paar Ideen klingen in diesem Text schon an. Aber ausführlicher sollen die an einem anderen Ort erörtert werden.