Parallelwelt
Im Frühjahr hatten wir das große Glück, dass Juna Grossmann zu uns nach Aachen gekommen ist, um aus ihrem Buch „Schonzeit vorbei: Über das Leben mit dem täglichen Antisemitismus“ zu lesen und sich den Fragen und Nicht-so-Fragen der Menschen im Gespräch zu stellen. Mir war es zugefallen, die Veranstaltung zu organisieren.
Noch als Hintergrund: ich bin in Wien aufgewachsen. Ich kann mich an den Anschlag 1981 auf den Wiener Stadttempel erinnern. Ich kenne es nicht anders, als dass vor dem Haus dort Polizisten mit Schnellfeuerwaffen stehen. Das war mein „normal“.
Und doch gab es da einen Moment, in dem mir meine Privilegierung und meine beschränkte Sicht wieder sehr deutlich vor Augen geführt wurden — der mich für diesen Diskurs heftig geprägt hat. Als wir ungefähr eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn waren, kamen zwei Polizisten zu uns und fragten nach dem Organisator. Also mir. „Huch?“ dachte ich so bei mir. Und dann sprachen sie mit mir, dass sie dann heute Abend hier vermehrt Streife führen, zwar niemanden direkt bei uns postierten, aber uns auf dem Schirm hätten und wenn was sei, wir direkt anrufen sollten. „Schluck“ dachte ich dann so bei mir.
Das ist er also, der Antisemitismus in Deutschland. So fühlt sich das an. Eine Lesung. Über Antisemitismus. Da verstand ich: wir sind von „Niemals wieder“ echt weit weg.