Fragen
Wie so viele, die in der römisch-katholischen Kirche engagiert sind, beschäftigt mich in diesen Tagen der Umgang mit sexualisierter Gewalt, deren systematische Vertuschung und die systemischen Implikationen. Natürlich führen diese Gedanken gleich an viele der unumstößlichen Wahrheiten des Systems — auch das sieht man ja an vielen Stellen der Diskussion.
Mich beschäftigten aber ein paar weitere Fragen, die ich mal aufschreiben muss, damit ich sie aus dem Kopf habe.
- Wie kommt es, dass solche Anschuldigungen in eine Personalakte aufgenommen werden? Und wovon hängt es ab, ob sie da vermerkt werden — kann man sich also darauf verlassen, dass da wirklich ein Großteil der Verdachtsfälle dokumentiert ist?
- Welche anderen Verbrechen und Straftaten finden sich noch in den Akten? Daran anschließend: bei welch anderen Straftaten hat die Institution beschlossen, dass sie sich außerhalb des Rechtssystems befindet und ist nur intern mit den Fragen nach Recht und Gerechtigkeit umgegangen? Oder, zugespitzt: finden sich da auch Morde, die aber ebenfalls vertuscht wurden?
- In welcher Weise wird reflektiert, was für eine absolute Macht auch über das eigene Personal diese Akten so sein mögen? Wie viel Erpressungspotential schlummert da in Schränken? Was wissen die Betroffenen, was da über sie dokumentiert ist?
- Wie wird entschieden, ob zwar entgegen den Wünschen bisheriger Opfer, weiter Wiederholungsgefahr besteht und es schon alleine im Sinne von individueller Prävention geboten ist, Täter vor Gericht zu bringen?
- Werden Laien, die sich hier schuldig gemacht haben, genau gleich wie Kleriker behandelt? Wurden Menschen in der Jugendarbeit hier auch geschützt und konnten mit einer Beichte Abstand gewinnen?
- Was sagt der kirchlichen Hierarchie der Begriff der Strafvereitelung?
- Wann gibt es die ersten Selbstanzeigen?
Ich weiß: viele dieser Fragen werden wohl nie eine befriedigende Antwort finden. Ich habe sie trotzdem.